Energierisiken bremsen Märkte
Hierzulande dreht sich alles um die Erdgasversorgung. Es ist leicht durchschaubar, dass die russische Regierung über dieses Thema Keile in die westliche Allianz treiben will. Aber einen Deal von mehr Erdgas gegen die Rücknahme von Sanktionen wird es nicht geben, selbst wenn dies erhebliche konjunkturelle Unsicherheit in Europa mit sich bringt.
In China hat sich die Konjunktur aufgrund der Corona-Einschränkungen im ersten Halbjahr deutlich eingetrübt. Es ist unwahrscheinlich, dass das Wachstum mit neuen Wirtschaftsprogrammen in diesem Jahr noch auf das Regierungsziel von 5,5 Prozent angehoben werden kann. Zu der Unwägbarkeit des wirtschaftlichen Ausblicks kommt hinzu, dass die Finanzmarktteilnehmer nicht mehr – wie in der Vergangenheit – auf die Unterstützung der Notenbanken setzen können. Sowohl die US-Notenbank Fed als auch die Europäische Zentralbank (EZB) müssen sich jetzt auf die Inflationsbekämpfung mittels höherer Zinsen konzentrieren.
Vergangene Inflationsphasen haben gezeigt, dass es ein fataler Fehler wäre, auf die Erwartung einer Konjunkturschwäche Zinserhöhungen wieder abzublasen. In den USA wird der nächste Zinsschritt mit 0,75 Prozentpunkten sehr kräftig ausfallen. Auch die EZB wird auf ihrer Juli-Sitzung die Leitzinsen anheben, wobei ein kräftiger Schritt um einen halben Prozentpunkt das richtige Signal zur Reduzierung von Inflationserwartungen wäre. Ein zusätzliches Argument für einen deutlichen Zinsschritt wäre, dass er den Wechselkurs des Euro unterstützen würde. Dieser ist im Zuge der Krisenängste in Europa unter die Parität zum US-Dollar gesunken. An den Aktienmärkten herrscht vor diesem Hintergrund eine abwartende Haltung vor. Erst wenn die wirtschaftlichen Belastungen aus der Energieknappheit zuverlässiger eingeschätzt werden können, wird es an den Börsen neue Impulse geben.
Frankfurt, 15. Juli 2022
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