Wo bitte geht‘s zur Normalität?
Den größten Einfluss auf den deutschen Aktienmarkt hatte in dieser Woche ein Nicht-Ereignis. Bei der Sitzung des Europäischen Zentralbankrates gab es keine neuen Beschlüsse, und auch die Aussichten, die Präsidentin Lagarde auf der anschließenden Pressekonferenz präsentierte, unterschieden sich zunächst nicht von früheren Aussagen.
Erst bei der Beantwortung von Journalistenfragen ließ die Präsidentin durchblicken, dass der geldpolitische Kurs endlich auf dem Prüfstand stehe. Das ließ den Aktienmarkt um mehr als ein Prozent einknicken und die Rendite von Anleihen schoss nach oben. Eigentlich haben sich die Finanzmärkte längst ihre eigene Meinung über die notwendige Geldpolitik der kommenden Quartale gebildet. Eine sich erholende Konjunktur sowie aufkommende Inflationsgefahren verlangen nach einer Straffung der Geldpolitik. Bei der US-Notenbank Fed und nun auch bei der britischen Notenbank ist dieser restriktivere Kurs schon eingeschlagen worden. Bei allen Unterschieden in den Volkswirtschaften übt diese weltweite Zinswende auch Druck auf die europäischen Währungshüter aus. Und so wurden die leisen Andeutungen der EZB-Chefin auch als Vorboten eines baldigen Richtungswechsels in Europa gedeutet.
Die Aktienkurse reagierten zwar verschnupft. Aber bis auf die offensichtlich überbewerteten Sektoren, etwa im Technologiebereich, werden die Aktienmärkte die Zinserhöhungen gut verkraften können, denn das Zinssteigerungspotenzial ist begrenzt. Zudem verdienen die Unternehmen teils sehr kräftig. Bei Anleihen wird man sich in diesem Jahr auf eine Durststrecke einstellen müssen. Danach werden diese Anlagen aber wieder attraktiver sein als zu Zeiten negativer Renditen.
Frankfurt, 04. Februar 2022
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