Trügerische Weihnachtsruhe
Auf dem Papier ist in der zurückliegenden Woche nicht viel an den Börsen passiert. Die Anleiherenditen pendelten seitwärts und der Dax gab im Wochenverlauf gut ein Prozent nach. Aktien litten etwas darunter, dass große US-Unternehmen negative Äußerungen zum Konjunkturausblick und damit ihren Geschäftsmöglichkeiten von sich gaben.
Das verleitete einige Marktteilnehmer zu Gewinnmitnahmen – nach den deutlichen Kursanstiegen in den Vorwochen. Ansonsten bestätigten jedoch Wirtschaftszahlen sowohl aus den USA als auch aus Deutschland, dass sich die Konjunktur alles andere als in einem Absturz befindet. Wie schon in Coronazeiten erweisen sich die Unternehmen erstaunlich flexibel im Umfang mit den Widrigkeiten. Wer allerdings meint, die Märkte würden sich bereits in die Weihnachtsruhe verabschieden, der könnte sich getäuscht sehen. Zum einen stehen im Dezember noch Zinsentscheidungen der großen Notenbanken an. Wie diese ausfallen und vor allem wie die Notenbanker den weiteren Ausblick sehen, kann an den Aktien- und Rentenmärkten schnell wieder Trendwechsel auslösen.
Genau beobachtet wird auch die Lage in China. Nachdem monatelang verbissen an der Null-Covid-Strategie mit strikten Lockdowns festgehalten wurde, verfällt das Regime aufgrund der Proteste anscheinend nun in das entgegengesetzte Extrem. Nun werden von den Staatsmedien auf einmal schnelle Lockerungen als originelle und smarte Lösung präsentiert. Die Gefahr dabei liegt in einer riesigen Coronawelle, die das Land erfassen könnte und neben erheblichen Belastungen für die Bevölkerung auch Beeinträchtigungen für die Weltwirtschaft und damit die Aktienmärkte mit sich bringen würde.
Die Geldpolitik wird bereits in der kommenden Woche wieder aktiv, wenn sowohl die US-Notenbank Fed als auch die Europäische Zentralbank über den geldpolitischen Kurs beraten. Dass die Zinsen weiter steigen, ist gesetzt. Für die Finanzmärkte ist aber ganz entscheidend, wie die Notenbanker die ersten Andeutungen rückläufiger Inflationsraten bewerten. Sollte bereits wieder ein Nachdenken über eine Lockerung der monetären Bedingungen einsetzen, würden Renditen weiter sinken und die Aktienmärkte würden ihre Aufwärtsbewegung fortsetzen. Angesichts der vielen vorsichtigen Äußerungen aus den Notenbanken bisher ist diese Entwicklung denn auch unwahrscheinlich.
Frankfurt, 09. Dezember 2022
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